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  • Universitätsgebäude am Wittelsbacherplatz, Würzburg. (Foto: Robert Emmerich)
Lehrstuhl für Pädagogik bei Lernbeeinträchtigungen - Sonderpädagogik I

Prof. Dr. Andreas Möckel verstorben

15.12.2019

Ein stiller Star tritt ab. Von Stephan Ellinger

Prof. Dr. Andreas Möckel verstarb am 11.12.2019 im Alter von 92 Jahren. 

Trotz seines hohen Alters war es zu früh - es wäre immer zu früh gewesen. Er war von 1976 bis 1992 der erste Inhaber des heutigen Lehrstuhls für Pädagogik bei Lernbeeinträchtigungen und machte es nicht nur möglich, in Würzburg Sonderpädagogik auf Lehramt zu studieren, sondern erarbeitete auch die weiterführenden Seminarstrukturen und etablierte die Sonderpädagogik fest an der Universität. Andreas Möckel war zunächst in Reutlingen an der Pädagogischen Hochschule und dann bis 1992 an der Universität Würzburg Professor für Sonderpädagogik. Für seine Verdienste um das Fach wurde er mit der Bene Merenti-Medaille in Gold ausgezeichnet. Auch nach seiner Pensionierung ist er bis zu seinem letzten Lebenstag ein Vollblutpädagoge geblieben, der um Theorie rang, praktisch forschte und ausdauernd schrieb. Vor ein paar Monaten ist seine letzte Monografie erschienen, das jüngste Buchmanuskript müsste nur noch Korrektur gelesen werden.

„Woran arbeiten Sie gerade?“

Andreas Möckel wohnte zwei Minuten Fußweg von seiner früheren Wirkungsstätte, der Universität Würzburg, entfernt und wir beide hatten vor knapp drei Jahren verabredet, uns jede Woche für eine Stunde zu treffen, um über Projekte zu sprechen, an denen wir gerade arbeiteten. Dabei dauerte es in der Regel keine ganze Minute, bis wir mitten in einer wesentlichen Diskussion steckten. Noch einen Tag vor seinem Tod diskutieren wir - was sage ich? - stritten wir über die Frage, ob der Mensch jemals zur umfänglichen Autonomie gelangen könne. In seiner Kritik an Sartres These der menschlichen Freiheit vertrat Möckel die Meinung, dass wir niemals wirklich autonom seien. Die logisch folgende Frage formulierte er wie immer freundlich, aber bestimmt: „Wann ist dann also Ihr behauptetes Erziehungsziel erreicht, Herr Ellinger?“ 

Ich zog nach jedem Treffen beschwingt von dannen, denn Andreas Möckel war sehr gebildet und doch nie eingebildet, bescheiden und dabei in einer vorbildlichen Weise selbstbewusst.

Er war bis zuletzt ein stiller Star und wirklicher Freund, der viele Menschen nahezu aller Altersklassen und Berufsgruppen - vom Studenten über den langjährigen Lehrer bis hin zum etablierten Professor - in besonderer Weise mit Zeit beschenkt und mit großzügiger Unterstützung glücklich gemacht hat. 

Mit Prof. Dr. Andreas Möckel verlieren wir und verliert die Sonderpädagogik einen der ganz Großen. Er schwang keine nichtssagenden Reden, wollte nicht überall genannt werden, lief nicht jedem Trend hinterher und besetzte auch nicht um jeden Preis prestigeträchtige Positionen. Aber er trug zeitlebens Wesentliches zum - wie er es nannte - Algorithmus zur Herstellung neuer Methoden beiDiese Zugänge sollten helfen, pädagogisch zu heilen, wo Kinder in schwierigen Lebenslagen vom Scheitern bedroht sind. Möckels Heilpädagogik heilte pädagogisch.

Am 11.12.2019 trat ein liebenswerter Mensch, ein gebildeter Professor und ein unabhängiger Denker ab. Wir haben allen Grund, sehr traurig zu sein. 

 

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