Intern
Lehrstuhl für Pädagogik bei geistiger Behinderung

Sportassistenz als Übergang zum Sportverein (SpAss)

Projektbeteiligte

Dr. Christiane Reuter (Kontakt)

Studentische Hilfskräfte

Sportzentrum der Universität Würzburg (Kontakt)

BVS Bayern (Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Bayern e.V.)

 

Motivation

In Deutschland sind 90% der Kinder zwischen vier und zwölf Jahren in mindestens einem Verein aktiv (Heubach, 2013), die Vereinsmitgliedschaft von Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung ist dabei mit 21,2% deutlich niedriger (Trescher & Hauck 2020). Die regelmäßige Teilnahme an einer organisiert-strukturierten Freizeitaktivität fördert die sozialen Kompetenzen, Eigeninitiative und Kulturbewusstsein (Heubach, 2013) und hat einen positiven Einfluss auf die körperliche und psychische Gesundheit (Güllich & Krüger, 2013). Umso dramatischer sind diese Zahlen, da Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung besonders an dem Risikofaktor Bewegungsmangel leiden (Wouters, Evenhuis & Hilgenkamp, 2019) und ihre gesellschaftliche Teilhabe im Bereich der Freizeitgestaltung nicht gewährleistet ist.

Trotz positiver Entwicklungen der vergangenen Jahre (Doll-Tepper, 2008) geben Studien Hinweise auf bestehende exklusive Strukturen. Selbst in den Vereinen, in denen Menschen mit geistiger Behinderung tätig sind, ist nur bei 57,4% eine vollständige und unbegrenzte Teilhabe gegeben (ebd.). Gründe hierfür sind aus Sicht der Teilnehmenden die fehlende Barrierefreiheit der Angebote, Vorbehalte und Vorurteile von Übungsleiter*innen, mangelnde Nachfrage nach Angeboten sowie exklusive Angebote nur für Menschen mit Behinderung (Trescher & Hauck, 2020). Übungsleiter*innen sehen sich häufig nicht adäquat ausgebildet, um in inklusive Sportangebote anzubieten (Heubach, 2013; Tiemann, 2016).

Neben strukturellen gibt es auch personenbezogene Hemmnisse. Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung sind in der Regel besonders auf Unterstützung bei der Kontaktaufnahme und Eingewöhnung in eine Sportgruppe angewiesen. Betroffene Familien weisen im Vergleich zu Familien mit Kindern ohne Beeinträchtigung einen unterdurchschnittlichen soziokulturellen Status auf. Dies betrifft Kinder an Schulen mit sonderpädagogischem Schwerpunkt geistige Entwicklung, die keine, oder eine leichte geistige Behinderung aufweisen, im Besonderen (Dworschak et al., 2012).

Für bessere Zugangsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen am organisierten Sport benötigen also einerseits die potenziellen Sportler*innen mit geistiger oder körperlicher Behinderung beim Finden und Besuchen von geeigneten Sportangeboten, aber auch die Übungsleiter*innen bei der Integration dieser Sportler*innen in allgemeine Sportgruppen Unterstützung.

In Finnland zeigte das PAPAI-Projekt (Personal Adapted Physical Activity Instructor) in seinem Pilot-Programm große Erfolg. Hier erhielten Studierende mehrerer Fachrichtungen die Möglichkeit, sich im Bereich APA (Adapted Physical Activity) fortzubilden und Kinder mit Beeinträchtigung bei der Suche nach einem Sportverein zu begleiten und zu unterstützen. Dabei konnten folgende Ergebnisse verzeichnet werden: 61% bewegten sich nach Teilnahme an dem Programm mehr, 54% fanden ein neues Hobby und 85% der PAPAIs würden das Programm weiterempfehlen (Saari & Skantz, 2017). Vor allem die individuelle Zusammenarbeit zwischen den PAPAIs, den Familien und Kindern und den Vereinen wurde als besonders wirkungsvoll aufgenommen.

 

Projektidee und -ziele

Um dieses erfolgversprechende Konzept in die hiesigen Strukturen zu integrieren, soll an der Universität Würzburg das Projekt „SpAss“ (Sport-Assistenz) implementiert werden, das an eben dieser Schnittstelle zwischen Vereinen und vereinssuchenden Kindern und Jugendlichen ansetzt. Kinder und Jugendliche mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung sollen bei der Suche nach geeigneten Vereinen unterstützt werden. Sportassistent*innen fungieren als Ansprechpartner*innen für die Kinder, Eltern und Übungsleiter*innen. Um einen möglichst guten Übergang zu einer selbstständigen Teilnahme an einer Sportgruppe zu gewährleisten, können Sportassistent*innen bis zu 10 mal eine Schüler*in mit geistiger Behinderung begleiten. Die Akquise der Sportassistent*innen kann über die Universität erfolgen: Sport- und Sonderpädagogikstudierende können in einer Lehrveranstaltung im Freien Bereich hierfür notwendige Kompetenzen erwerben.

Die Vernetzung der beteiligten Personen kann über eine Internetplattform hergestellt werden. Die Plattform soll auch ermöglichen, interessierten Vereinen und Übungsleiter*innen bei Bedarf Ansprechpartner*innen zu vermitteln. Als Projektpartner steht hierfür der BVS Bayern (Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Bayern e.V. Dachverband für den Behindertensport & Fachverband für Rehabilitationssport) mit seiner Infrastruktur zu Verfügung. Dieser formuliert als langfristiges Ziel, das SpAss-Projekt bayernweit auszuweiten, um flächendeckend den Zugang zu Vereinen für Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen

Fragestellungen des Projekts sind dabei unter anderem:

  • Wie muss eine Plattform gestaltet sein, um möglichst barrierefrei die Vernetzung zwischen Sportassistent*in und Sportler*in sowie Vereinsakteur*innen zu ermöglichen?
  • Können Sportassistent*innen die sportliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung verbessern?

 

Methodik

Wesentlichen Schritte bei der Entwicklung und Implementierung des Projekts:

Konzeptarbeit:

  • Partizipative Entwicklung der Internetplattform in Zusammenarbeit des Lehrstuhls für Pädagogik im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung mit dem BVS

  • Ausformulierung des Lehrkonzepts für Sportassistent*innen

 

Prozessevaluation:

  • Bewertung und Adaption der Plattformnutzbarkeit

  • Dokumentation und Evaluation der Assistenzen

  • Evaluation und Explikation der Sportassistenz-Ausbildung: Interview

 

Ergebnisevaluation:

  • Sportvereinszugehörigkeit direkt nach der Intervention, Follow-up nach drei und nach 12 Monaten

 

Zeitraum

ab Februar 2023

 

Finanzierung

Stadt und Landkreis Würzburg

Eigenmittel